„Lasst euer Herz sprechen“ – Zeitzeugin Eva Weyl
Von Emma Reinery und Luciana Molinski
Am Mittwoch, den 11.12.2024, hatten wir, die Jahrgangsstufe 10, das Glück, in der 7. und 8. Stunde die bewegende Geschichte von Eva Weyl zu hören. Sie berichtete uns aus erster Hand über ihr Leben im KZ Westerbork und die Schrecken der NS-Zeit.
Nach einer kurzen Einführung durch Herrn Haumer begann Eva Weyl mit eindringlichen Worten: „Ich werde euch heute zeigen, wohin Hass, Neid, Respektlosigkeit und Ignoranz führen können.“
Angefangen habe es damit, dass alle Juden aus Deutschland „rausgemobbt“ wurden – durch die Reichspogromnacht oder Schilder wie: „Kauft nicht bei Juden.“ Viele flüchteten nun „freiwillig“, zum Beispiel in die Niederlande. So auch ihre Familie 1934, die vorher ein großes Kaufhaus in Kleve besaß.
Sie wurde am 7. Juni 1935 in Arnhem geboren und führte dort zunächst eine friedliche Kindheit. Zuhause sprach die Familie Weyl anfangs Deutsch, wechselte jedoch bald zu Niederländisch. Eines Tages packte Evas Mutter plötzlich die nötigsten Sachen zusammen und erklärte, dass sie „für eine Weile umziehen“ würden.
Kurz darauf wurde die Familie Weyl deportiert. Nach einer langen Zugfahrt und einem anstrengenden Fußmarsch mit all ihrem Gepäck kamen sie im Konzentrationslager Westerbork an. Nach einer eisigen Wartezeit am Lagertor wurden sie durchsucht, und alles Wertvolle wurde ihnen abgenommen. Einzig erhalten blieben versteckte Diamanten, die ihre Mutter aufwändig in Knöpfe ihres Mantels eingenäht hatte – ein Geheimnis, das Eva erst über 50 Jahre später erfuhr, als ihre Mutter ihr einen Ring aus diesen Diamanten schenkte.
Die ersten zehn Monate im Lager beschrieb Eva als die schlimmsten ihres Lebens: Die Familie lebte unter menschenunwürdigen Bedingungen in einer überfüllten Baracke, in der es kalt, zugig und unhygienisch war. Jede Woche wurden Namen von Häftlingen vorgelesen, die am nächsten Tag in den Osten deportiert werden sollten. Dank eines Freundes, der in der Lagerverwaltung arbeitete, konnte die Familie Weyl diesem Schicksal entkommen. Als er ihre Karte mit ihrem Namen zog, steckte er diese unauffällig wieder in die Kartei.
Mit dem Wechsel des Lagerkommandanten Ende 1943 besserte sich die Situation der Familie leicht. Evas Vater erhielt eine höhere Stellung in der Lageradministration, was ihnen eine Deportationssperre und eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung einbrachte. Obwohl sich ein fast normaler Alltag entwickelte, erinnerten die hohen Zäune stets daran, dass sie Gefangene waren. Vor allem ihre Mutter schützte sie vor der bitteren Wahrheit – sie gab ihr Hoffnung. Allerdings wurden nicht nur sie, sondern auch die restlichen Gefangenen von einer „Scheinwelt“ getäuscht, beispielsweise durch ein riesiges jüdisches Krankenhaus.
Eva erzählte von einem todkranken Baby, das auf der Kinderstation behandelt wurde. Sogar ein Transport in eine Klinik wurde organisiert, um das Kind zu retten – nur damit es wenige Wochen später in den Osten deportiert wurde. Jeder im Lager bemerkte, dass die Menschen, die in die Züge Richtung Osten gesetzt wurden, nie wiederkamen, aber keiner wusste, was dort geschah.
Gegen Ende des Krieges, als die Niederlande „judenrein“ waren, wurde die Deportationssperre der Familie Weyl aufgehoben. Evas Vater wollte sich mit der Familie freiwillig für den Transport in den Osten melden, um seine Ehe zu retten – nicht wissend, dass dies den sicheren Tod bedeutete. Zum Glück konnte ein Freund ihn rechtzeitig davon abbringen.
Trotzdem sollte die Familie eines Tages deportiert werden. Sie standen bereits bereit, als plötzlich ein alliiertes Flugzeug einen Angriff auf das Lager flog – offenbar hatte man einen Schornstein mit einer Fabrik verwechselt. Die Familie Weyl entging so zum vierten Mal der Deportation. Das fünfte und letzte Mal hatten sie Glück, als das Zugnetz zerstört wurde und keine Züge mehr in den Osten fahren konnten.
Die Befreiung des Lagers Westerbork im April 1945 beschrieb Eva als den schönsten Moment ihres Lebens. Sie werde nie das Gefühl vergessen, als die Geräusche der heranrückenden Panzer immer lauter wurden. Nach dem Krieg zog die Familie nach Amsterdam, wo Eva bis heute lebt.
Zwei Jahre später besuchte Eva ihren Großvater in Freiburg. Dort verliebte sie sich in einen Jungen namens Fritz. Ihr Großvater war jedoch entsetzt, denn Fritz’ Vater war ein überzeugter Nazi gewesen. Doch Eva entgegnete nur: „Was kann denn der Fritz dafür?“
Im Zuge dieser Geschichte gab Eva uns mit, immer auf unser Herz zu hören und Widerstand zu erheben, wenn einem etwas falsch vorkommt. Sie schloss ihren Vortrag mit den Worten: „Ihr seid nun Zweitzeugen meiner Geschichte. Ich hoffe, dass zumindest einige von euch sie weitertragen, damit so etwas nie wieder passiert.“
Im Anschluss hatten wir noch die Möglichkeit, Fragen zu stellen, was gut angenommen wurde. Eva beantwortete jede Frage ehrlich und mit Interesse.
Ihre Erzählung hat uns tief beeindruckt. Es war eine besondere Erfahrung, die Geschichte einer Zeitzeugin zu hören, die all dies selbst erlebt hat.
Vielen Dank an Frau Weyl für ihren tollen Vortrag und an Herrn Haumer für die Möglichkeit, so etwas erleben zu dürfen!